«Was lange währt, wird endlich gut»

Von Oberst Dominik Knill, Präsident SOG. Erschienen in der ASMZ-Ausgabe 09 2022.

Wirklich? Wie bei vielen Sprichwörtern und Redewendungen ist es eine Frage der Perspektive und Wahrnehmung. Mal ist es Wunsch und Hoffnung, dann wieder Ratschlag und Ermunterung. «Wer Gutes tut, bekommt Gutes zurück» soll trösten oder zu selbstlosem Handeln anregen. In der Politik und im Militär ist diese gutgemeinte Redewendung zu kurz gegriffen. Ja, sie ist gleichermassen naiv und unverantwortlich, weil nicht abgesichert.

Insgeheim habe ich gehofft, dass sich die SOG nicht nochmals und insbesondere so rasch zu einer Abstimmung über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge positionieren muss. «Unverhofft kommt oft». Es wäre naiv gewesen, zu glauben, dass die Volksinitiative «Stop F-35» nicht zustande käme. Helas, am 16. August 2022 war es soweit. Mit «Ende gut, alles gut» mag sich das Initiativkommitee selber Mut zugesprochen haben. Gedauert hat es auf jeden Fall eindeutig zu lange und ob sie von Erfolg gekrönt sein wird, ist aus heutiger Sicht ziemlich fraglich. Es schleckt keine Geiss weg, es war eine Zangengeburt. Das Interesse der Medien war Pflichtkonsum und hielt sich im Rahmen. Die Protagonistinnen und Befürworter traten beim Verlesen ihrer Communiqués auch schon kämpferischer und überzeugter auf. Sogar SRF berichtete ausgewogener als bei anderen armeekritischen Aktionen. Und wo blieben die Vertreterinnen und Vertreter der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA)? Hat das von der GSoA angeführte links-grüne Bündnis grossen Respekt vor einem, notabene begründeten, GSoA-Abwehrreflex in der Bevölkerung? «Mehr Schein als Sein». Nüchtern betrachtet könnte man sagen, dass das Initiativkommitee sich verrannt hat und nun auf Schadensbegrenzung macht. 103’000 gültige Unterschriften! Die Unterzeichnenden dürfen nicht enttäuscht werden. Die Glaubwürdigkeit der Parteien, die sich für die Abschaffung der Armee einsetzen und daher eine moderne Flugzeugbeschaffung ablehnen, steht auf dem Spiel. «Trau, schau, wem».

Die SOG verurteilt entschieden die eklatanten Verletzungen von Menschen- und Völkerrecht im Ukrainekrieg. Die globalen Angriffe auf eine liberale Friedensordnung und unsere Wertegesellschaften, durch eine zunehmend autoritäre Machtpolitik der Stärkeren, gefährden Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit in der Schweiz und in Europa. Die Schweizer Bevölkerung ist verunsichert. Sicherheit und Wohlstand sind nicht mehr garantiert. Der Staat soll es richten. Die Armee ist der staatliche Sicherheitsgarant, gewollt oder nicht. Ob in der aktuell unsicheren Lage alle Unterzeichnenden die Initiative nochmals unterschreiben würden? Vielleicht?

«Kommt Zeit, kommt Rat». Die Volksinitiative ist eingereicht und gültig. Dies gilt es zu akzeptieren. Ob sie in der heutigen Zeit noch opportun oder bereits obsolet ist, ist eine gesellschaftliche Frage. Was legal ist, muss nicht legitim sein. Der demokratische Prozess nimmt seinen Lauf. Es bleibt die Frage, ob und wann nochmals abgestimmt wird. Am 27. September 2020 hat das Volk, wenn auch knapp, den Rahmenkredit für die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge gutgeheissen. Die Zwängerei des Initiativkommitee ist unverantwortlich und gegenüber der sicherheitsbewussten Bevölkerung nicht zu rechtfertigen. Sie begründen Ihr Vorgehen, demokratisches Recht anzuwenden. Damit möchten sie verhindern, dass die Schweiz eine moderne und schlagkräftige Luftwaffe bekommt. Diese Sichtweise ist demokratiepolitisch irritierend und grundsätzlich abzulehnen.

«Wenn du es eilig hast, mach langsam». Die Zen Weisheit dürfte den «Stop F-35» Initianten gar nicht gefallen. Und doch, diese Tradition hat sich in der Schweizer Politik oft bewährt. Es sei denn, es kommt eine Pandemie oder Energiekrise auf uns zu. Selbstverständlich gilt dieses Bonmot nicht für die Chefin VBS. Die SOG erwartet von Parlament und Bundesrat rasche und klare Entscheide, damit der Kaufvertrag für 36 F-35 nach dem Parlamentsentscheid und noch vor dem Ablauf der Offerte, Ende März 2023, verbindlich unterschrieben wird. Die Bundesverfassung ist kein Handbuch für Rüstungsbeschaffungen.

«Guter Rat ist teuer». Nicht nur der Rat, auch das Verstreichenlassen der F-35A Offerte bedeutet einen verteuerten Preis, gekoppelt mit späteren Lieferfristen. Beides ist unvernünftig und soll vermieden werden.

Die Befürworterinnen und Gegner haben ein Glaubwürdigkeitsdilemma. Gibt der Bundesrat nach und wartet das Abstimmungsergebnis ab, verlieren viele bürgerliche und sicherheitsbewusste Parlamentarierinnen und Parlamentarier ihr Gesicht, nachdem sie sich für einen verzugslosen Kauf eingesetzt haben. Bei den Gegnern im links-grünen Lager dürfte ein Rückzug der Initiative auf grosses Unverständnis stossen, und sie dürften sich vom Initiativkommitee verraten fühlen. Ob sich die SP, im Hinblick auf die Wahlen 2023, nicht einen Bärendienst leistet, wenn sie an einer Abstimmung festhält? Als Bundesratspartei könnte sie mit einer differenzierten Haltung ein Signal zu Gunsten einer glaubwürdigen und ganzheitlichen Sicherheitspolitik geben.

Was wären die Konsequenzen, sollte die Initiative 2024 vor das Volk kommen und sie, entgegen den allgemeinen Erwartungen, doch angenommen werden? Keine, für die bereits beschafften 36 F-35A. Hingegen könnten bis Ende 2039 keine weiteren F-35A nachbeschafft und das Verteidigungsbudgets müsste (nach unten) angepasst werden. Die SOG, mit ihren knapp 20’000 Mitgliedern, lehnt die Initiative entschieden ab und wird sie konsequent und entschlossen bekämpfen. In unsicheren Zeiten gilt es Handlungsfreiheit zu wahren und der Zwängerei ein Ende zu setzen. «Was lange währt, wird irgendwann gut».

Zitat
«In Worten sei wahrhaft und zuverlässig, im Handeln gewissenhaft und rücksichtsvoll.»
Konfuzius

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