Trau, schau, wem!

Von Oberst Dominik Knill, Präsident SOG. Erschienen in der ASMZ-Ausgabe 08 2022.

Vertrauen ist eine soziale Haltung, die in unsicheren oder risikohaften Situationen einer Handlung auftritt. Vertrauen beinhaltet die Überzeugung, dass darin keine Täuschung oder Unwahrheit liegt. Vertrauen und Misstrauen haben gemeinsam, dass Erwartungen an andere bestehen.

Zwei Freunde versprachen vor der Wanderschaft, sich in allen Fällen beizustehen. Unvermutet kam ihnen auf einem schmalen Waldweg ein Bär entgegen. Vereint hätten sie ihn womöglich bezwungen. Da aber dem einen sein Leben zu lieb war, vergass er das Versprechen und kletterte auf einen Baum. Als sich der andere nun verlassen sah, warf er sich platt auf den Boden und stellte sich tot. Er hatte gehört, dass Bären keine Toten verzehren. Der Bär kam herbei, beleckte und stupste dem Daliegenden die Ohren und trabte davon. Sobald die Gefahr vorüber war, stieg der eine Freund vom Baum herab und fragte seinen Gefährten voll Neugierde, was ihm der Bär denn zugeflüstert habe? «Eine vortreffliche Warnung», antwortete dieser, «nur schade, dass ich sie nicht früher gewusst habe.» Der Bär sagte: «Man solle sich nicht mit Menschen einlassen, die ihre Freunde in der Not verlassen.» Aesop
Wie kommt es, dass die Tugend des Vertrauens stetig herausgefordert wird? Dabei wird oft vergessen, dass Vertrauen nicht eingefordert werden kann – schon gar nicht verbal. Manipulative Fragen, wie «Vertrauen Sie mir doch, ich will mit meinem Angebot ja nur das Beste für Sie» lässt kaum eine negative Antwort zu, ohne die Beziehung zu belasten oder ihr zu schaden. Der so eingeforderte Vertrauensbeweis sollte kritisch geprüft werden. Es ist eine der kniffligsten Verhandlungsfragen, das Gegenüber zu fragen, warum man ihm/ihr vertrauen kann oder soll. Die Antwort kommt selten spontan. Wir sollten uns nicht scheuen, diese Frage dem links-grünen armeefeindlichen Bündnis zu stellen. Verhandeln ohne Vertrauen ist wie Schwimmen ohne Wasser. Man bewegt sich zwar, kommt aber nicht vorwärts.
Vertrauen setzt Glaubwürdigkeit und Glaubwürdigkeit Zuverlässig- und Berechenbarkeit voraus. Die explizite Vertrauensfrage appelliert an ein falsches Gemeinsamkeitsgefühl. Wenn eine Bankberaterin den Kunden nach Sicherheiten für eine Hypothek fragt, und dieser mit «Machen Sie sich da bloss keine Sorgen, vertrauen Sie mir, wir kennen uns ja», sollten die Alarmglocken läuten. In solchen Fällen geht es meistens nicht darum, Fakten auf ihre Objektivität oder Wahrheit zu prüfen, sondern ein Loyalitätsbekenntnis einzufordern.
Der Wunsch nach Zugehörigkeit führt bei Gleichdenkenden zu einem vorbehaltlosen Vertrauen und am Festhalten der eignen Wahrnehmung. Bei Andersdenkenden wird die Aussage konsequent hinterfragt. Die Kognitionspsychologie spricht hier von einer Bestätigungsverzerrung.
Sind wir ein Volk von instrumentalisierten Zweiflern, sobald wir nicht einverstanden sind? Wir stellen fest, wie der Vertrauensbeweis in die Politik und Armeeführung immer öfter ausbleibt. Ob es sich um eine Pandemie oder um die Aussen- und Sicherheitspolitik handelt, wir wissen es meistens besser. Ein grosser Teil der Schweizer Bevölkerung mutiert innerhalb von kurzer Zeit von Virusexperten zu Fachleuten in Neutralitätsfragen oder zu Aviatik Experten beim Kauf neuer Kampfjets.
Wie kommt es, dass die knapp Unterlegenen in der NKF-Abstimmung vom September 2020 es dem Stimmvolk nicht zutrauen, dass sie sich doch für den Rahmenkredit entschieden haben? Warum wird der Typenentscheid des Bundesrats für den F-35A laufend hinterfragt und bekämpft? Weshalb traut man es dem VBS mit der armasuisse nicht zu, einen korrekten und transparenten Evaluationsprozess durchgeführt zu haben? Mit der «Stop F-35»-Initiative könnte das Misstrauen am Bundesrat, der Armeeführung und der sicherheitsbewussten Bevölkerung nicht grösser sein. Warum vertraut man dem Hersteller, bzw. der US-Regierung nicht, wenn diese Fixpreise anbieten? Dem Initiativkomitee und seinen Anhängern fällt es schwer, der fachlichen Expertise der Experten zu vertrauen. Warum traut man der Milizarmee nicht zu, auch mit komplexen Systemen zurecht zu kommen? Mit so viel Misstrauen bekämpfen wir uns selber.
Was bringt Kritiker der Armee dazu, ihr dauernd vorzuwerfen, sie habe gar keinen Beschaffungsplan für zusätzliche Finanzmittel? Sich dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen, nicht vertrauenswürdig mit Steuergeldern umgehen zu können, sabotiert das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Armee und bringt sie unnötigerweise in die Defensive.
Im Zusammenhang mit den Vorwürfen an die Adresse der Chefin VBS über die Abklärung von Kompensationsgeschäften mit Frankreich kommt ein weiterer Verhandlungsgrundsatz zum Tragen. «Nichts ist verhandelt, bis alles verhandelt ist.», das heisst, bis das bevorzugte/finale Angebot offiziell feststeht. In diesem Sinne ist es legitim und taktisch klug, dass Abklärungsgespräche bis zum Ende geführt werden. Man nennt das, ein Verhandlungspfand zu optimieren. Damit eine Vertrauenskrise auszulösen, ist rein opportunistisch.
Angesichts der heutigen sicherheitspolitischen Lage wäre es ein verheerender Ansatz, sich vor der drohenden Gefahr politisch «tot» zustellen. Der (russische) Bär ist angeschlagen, unberechenbar und klettert auf Bäume. Das gegenseitige Vertrauen der beiden Freunde ist zerstört. Trau, schau, wem!

„Alles was du sagst, soll wahr sein. Aber nicht alles was wahr ist, sollst du auch sagen.» Voltaire.

2 Gedanken zu „Trau, schau, wem!

  1. Oberstlt i Gst Markus M. Müller

    Wieso viele gegenüber dem Staat misstrauen? Die Antwort liegt in der Einleitung: „Vertrauen beinhaltet die Überzeugung, dass darin keine Täuschung oder Unwahrheit liegt.“ Offenbar erkennen immer mehr Bürger, dass sie kontinuierlich vom Staat für dumm verkauft werden. Aufmerksame Bürger merken, dass etwas nicht stimmt. Beispiele gibt es genügend, wenn man sie sehen will.

    Wieso ist die SOG nicht kritischer ggü. „Bern“? Blindes Vertrauen in der Politik ist selten von Erfolg gekrönt. Diese Einstellung wird ihr längerfristig das Genick brechen.

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  2. Ruedi Basler

    Die armasuisse und das VBS sorgt und sorgte mit Fehlentscheidungen und Fehlplanungen seit Jahren dafür, dass dieses Vertrauen abgebaut wurde. Darüber darf sich niemand verwundern.

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