Von Oberst i Gst Stefan Holenstein, Präsident SOG. Erschienen in der ASMZ-Ausgabe 08-2019.
Der SOG-Vorstand zog sich am 28./29. Juni wiederum nach Paudex VD nahe Lausanne in seine jährliche Klausur zurück. Im engen Dialog mit den Spitzenreferenten KKdt Philippe Rebord, CdA, Div René Wellinger, Kdt HE, Br Markus Rihs, C Pers A, sowie Botschafterin Pälvi Pulli, Chefin Sicherheitspolitik VBS, behandelte er die aktuellen sicherheits- und armeepolitischen Herausforderungen.
Der abtretende, gut gelaunte CdA nahm einen Nachmittag lang im Kreis der SOG eine kritische, von konstruktivem Reformwillen geprägte armeepolitische Auslegeordnung vor. Genau diese vertrauens- und respektvolle Zusammenarbeit mit den Milizorganisationen zeichnete ihn stets aus. Schliesslich attestierte er der SOG eine bedeutende staatspolitische Rolle, welche sie als Bindeglied zwischen Armee und Gesellschaft zwingend wahrnehmen müsse.
Im Weiteren profitierte die SOG vom erstmaligen direkten Gedankenaustausch mit der Chefin Sicherheitspolitik VBS. Die seit Frühjahr 2018 amtierende Pälvi Pulli wies in deutlichen Worten auf die gestiegene potenzielle Gefahr von Konflikten und die damit einhergehende Aufrüstungswelle in Europa hin, mit der die Schweiz nicht mithalten könne. Mit der Weiterentwicklung der Armee (WEA) und den anstehenden Beschaffungsprojekten wie Air2030 verfüge die Schweiz jedoch über adäquate Antworten.
WEA – Bestände gefährdet
KKdt Philippe Rebord verhehlte nicht, dass ihm der für die WEA kritische Erfolgsfaktor der personellen Bestände der Armee grosse Sorgen bereitet. Die Armee hat ein akutes Bestandes- bzw. Nachwuchs- und Rekrutierungsproblem, insbesondere und offenkundig auf Truppen-, je länger desto mehr aber auch auf Kaderstufe, mit eingeschlossen der Nachwuchsmangel bei den Berufskadern. Der CdA stellte unmissverständlich fest, dass das Schweizer Erfolgsmodell mit dem Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht und dem Milizprinzip bedenklich ins Trudeln geraten ist. Br Markus Rihs sekundierte ihn und gewährte der SOG einen vertieften Einblick in die Entwicklung der Armeebestände in den kommenden Jahren. Diese ist dramatisch, nicht zuletzt wegen den exorbitant hohen Abgängen in den Zivildienst. Es gelinge der Armee nicht mehr, die Leute konsequent bis zum Ende der Dienstpflicht im System zu behalten. Die SOG hat den dringlichen Appell erhört, mit aller Kraft die Revision des Zivildienstgesetzes (ZDG) zu unterstützen und den politischen Druck hochzuhalten.
Kampagnenstart Air2030
Der Bundesrat hat am 26. Juni den Planungsbeschluss von maximal CHF 6 Mrd. für den Kauf neuer Kampfflugzeuge (NKF) und mit 60% Offset zuhanden des Parlaments verabschiedet. Die SOG hingegen hätte ein variables Kostendach von bis zu CHF 7 Mrd. vorgezogen, um die Handlungsfreiheit bezüglich Anzahl Kampfjets zu bewahren. Den bisherigen Standard von 100% Offset erachtet die SOG als wichtig, weil er Chancen für die einheimische Rüstungsindustrie eröffnet.
Gemeinsam mit der AVIA fährt die SOG nun Organisation und Führung des Abstimmungskampfes sukzessive hoch. Der Urnengang dürfte im September 2020 stattfinden.
Zukunft der Bodentruppen
Div René Wellinger legte auf Basis des 150 Seiten starken Grundlagenberichts „Zukunft der Bodentruppen“ deren mittel- bis längerfristige, fähigkeitsbasierte Weiterentwicklung dar. Er empfiehlt die Option 2 mit einer stärkeren Ausrichtung auf ein hybrides Konfliktumfeld sowie auf mobile, modular aufgebaute und einsetzbare Verbände mit einem ordentlichen Budgetansatz von CHF 6 Mrd. Die SOG wird sich noch eingehend damit befassen; sicher wird sie sich für eine adäquate Finanzierung auch der Bodensysteme einsetzen.
4-Punkte-Programm zur Frauenförderung
Frauenförderung in der Armee ist für die SOG kein Lippenbekenntnis. Sie will rasch mehr Frauen für die Armee gewinnen und von deren Potenzial profitieren. Die SOG hat an der Klausur ein 4-Punkte-Programm verabschiedet, das sie inzwischen auch der Chefin VBS offiziell unterbreitet hat: Attraktivitätssteigerung und verstärkte nationale Koordination bezüglich des freiwilligen Orientierungstags für Frauen; Informations- und Werbekampagne bei Arbeitgebern, Verbänden, Schulen und Frauenorganisationen; Ausstellung von Diplomen und Zertifikaten für die militärdienstleistenden Frauen; Schaffung von Anreizen mittels Ausbildungsgutschriften und weiteren finanziellen Leistungen.
Fusion von Zivilschutz und Zivildienst – für die SOG aktuell keine Option
Alle drei sicherheitspolitischen Instrumente Armee, Zivilschutz und Zivildienst stecken in einer wichtigen Reformphase. Es ist deshalb weder sinnvoll noch zweckmässig, kurzfristig eine Fusion von Zivilschutz und Zivildienst zu prüfen. Insbesondere ist eine damit verbundene Verzögerung bei der dringenden Revision des ZDG zu vermeiden. Die SOG hat gegen die Prüfung einer solchen Fusion grundsätzlich nichts einzuwenden – jedoch nicht übereilt und stets im Rahmen eines wohlüberlegten, breit abgestützten Gesamtprozesses. Die Bedenken einer Mehrheit der Kantone gegenüber den sinkenden Beständen auch im Zivilschutz nimmt die SOG durchaus ernst.