Von Oberst i Gst Stefan Holenstein, Präsident SOG. Erschienen in der ASMZ-Ausgabe 06-2019.
Die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG) hat die von Bundesrätin Viola Amherd zum Programm Air2030 in Auftrag gegebenen und am 2. Mai 2019 an einer Medienkonferenz vorgestellten drei Zusatzberichte mit Interesse zur Kenntnis genommen. Politisch zeichnet sich für Air2030 eine zeitgerechte und mehrheitsfähige Lösung ab. Gut so. Gewisse Bedenken hegt die SOG indes bei den finanziellen Eckwerten.
Bundesrätin Amherd erklärte an der erwähnten Medienkonferenz, dass sie dem Bundesrat eine Lösung vorschlagen werde, die den Empfehlungen ihrer Experten zum Projekt Air2030 so weit wie möglich entgegenkomme. Die sich nun abzeichnende, zeitgerechte Lösung auf der Basis eines neuen Planungsbeschlusses dürfte politisch mehrheitsfähig sein. Die Bundesrätin liess ferner durchblicken, dass sie nicht mehr als die geplanten CHF 8 Milliarden für die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge (NKF) und für die bodengestützte Luftverteidigung grösserer Reichweite (BODLUV) einsetzen will.
Grundsätzlich fundierte Zusatzberichte
Die im Bericht über die Bedrohungslage gemachte Analyse von Pälvi Pulli, Chefin Sicherheitspolitik im VBS, hält zutreffend fest, dass der eigene Luftraum prioritär geschützt werden muss und für dessen Beschaffungsprojekte erhöhter Handlungsbedarf besteht. Im Weiteren begrüsst die SOG die hinsichtlich der Durchhaltefähigkeit bei erhöhten Spannungen zweckmässige Empfehlung von Claude Nicollier, einen neuen Planungsbeschluss vorzusehen, der nur die Beschaffung von NKF und nicht auch von Mitteln für BODLUV enthält. Hingegen entspricht die von Nicollier empfohlene Option 2 mit dem Kauf von 40 Kampfjets lediglich der von der SOG verlangten Minimalvariante.
Offset-Bericht schürt Unsicherheit
Der von Kurt Grüter redigierte Offset-Bericht stützt in vielen Punkten die bisherige Offset-Praxis. Erst Ende 2018 hat der Bundesrat beschlossen, dass der Kaufpreis zu 100 Prozent durch Industriebeteiligungen (Offset) kompensiert werden muss. Wenig abgewinnen kann die SOG jedoch Grüters Vorschlag, die Kompensation auf 60 Prozent zu reduzieren. Vielmehr erachtet die SOG den bisherigen Standard von 100 Prozent Offset als wichtig, weil er die Sicherheit der Schweiz stärkt und der einheimischen Rüstungsindustrie Chancen eröffnet. Diese Faktoren gehen einem möglichen, jedoch nicht klar ausgewiesenen Einsparpotenzial vor.
Kritische Limite von 6 Milliarden für NKF
Die im aktuellen Entwurf für einen Planungsbeschluss, welcher der SOG vorliegt, festgehaltenen Eckwerte rufen eine gewisse Skepsis hervor. Denn darin wird das Beschaffungsprojekt Air2030 zwar, wie von Nicollier vorgeschlagen, aufgeteilt, das Finanzvolumen für NKF jedoch auf maximal CHF 6 Milliarden begrenzt. Das ist eine kritische Limite, die den Handlungsspielraum für Bundesrat und Parlament unnötig einschränken würde. Denn mit CHF 6 Milliarden lassen sich keine 40 Kampfjets kaufen, es sei denn, man schwenke wieder auf den Gripen der schwedischen Firma Saab ein. Eine solche künstliche Limite präjudiziert nach Meinung der SOG eine gefährliche Typendiskussion, und dies erst noch vor dem Grundsatzentscheid. Mit nur CHF 6 Milliarden werden wir über eine begrenzte Luftwaffe verfügen. Denn es ist mehr als fraglich, ob sich mit weniger als 40 Kampfflugzeugen die Wahrung unserer Lufthoheit sicherstellen lässt, insbesondere dann, wenn der Bundesrat bei internationalen Spannungen eine Nutzungsbeschränkung unseres Luftraums beschliesst (verstärkte Luftpolizei). Die folglich für ein neues System BODLUV via Rüstungsprogramm veranschlagten restlichen CHF 2 Milliarden bestätigen die Vorbehalte der SOG, eine derart strikte monetäre Trennlinie zwischen den beiden Systemen NKF und BODLUV zu ziehen, bevor diese evaluiert und beurteilt worden sind.
Vorschlag der SOG
Die SOG schlägt dem Bundesrat deshalb vor, den Finanzrahmen zu öffnen und von einem variablen Kostendach für NKF in der Höhe von bis zu CHF 7 Milliarden auszugehen und dieses im Entwurf festzuschreiben. Mit diesem Ansatz behielte der Bundesrat die Handlungsfreiheit in Bezug auf die Anzahl Kampfjets möglichst lange in der Hand.
Neuer Minenwerfer Cobra 2015 (Mörser 16) – rascher Handlungsbedarf gegeben!
Die SOG und insbesondere die SOGART, die Fachoffiziersgesellschaft der Artillerie, haben stets darauf hingewiesen, dass die Fähigkeitslücke des indirekten Feuers auf kurze Distanz bis 10 km geschlossen werden muss. Die nun bekannt gewordenen massiven Verzögerungen der Einführung des Mörsers 16 sind unerfreulich, wenn auch für kurze Zeit nicht gravierend. Evaluation und Beschaffung wurden aufgabengemäss von der armasuisse vorgenommen und vom Parlament 2016 genehmigt. Die Aufsicht über die Realisierung des Projekts obliegt dem Bundesrat und der Verwaltung. Beim offenbar nicht ausgereiften Mörser 16 stellen sich etliche Fragen, so auch jene nach den möglichen zur Rettung des Projekts vorgesehenen Sofortmassenahmen. Es zeigt sich, dass die ebenfalls überraschten Sicherheitspolitischen Kommissionen des Stände- und des Nationalrats stärker Einfluss nehmen müssen.