Muss der Zivildienst die Armee retten?

Von Oberst i Gst Stefan Holenstein, Präsident SOG. Erschienen in der ASMZ-Ausgabe 04-2019.

So lautete der leicht provokative Titel des Treffens der Parlamentarischen Gruppe Zivildienst, zu welchem der Zivildienstverband Civiva mit seinen beiden Co-Präsidentinnen, Nationalrätin Lisa Mazzone (Grüne, GE) und Nationalrätin Rosmarie Quadranti (BDP, ZH), anlässlich der Frühjahrsession 2019 der eidgenössischen Räte in Bern geladen hatte. Die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG) nahm daran teil.

Die Veranstaltung fand vor dem Hintergrund der aktuellen Revision des Zivildienstgesetzes (ZDG) statt. Die SOG unterstützt sie (vgl. SOG-Vernehmlassung in ASMZ 11/2018, S.25). Auf die titelerwähnte Fragestellung replizierte die SOG mit einem «8-Punkte-Programm»:

Punkt1: Für ein ausgewogenes «Dreisäulenprinzip »!
Die SOG setzt sich für ein leistungsfähiges und ausgewogenes Dienstpflichtsystem im Sinne des bewährten «Dreisäulenprinzips » Armee, Zivilschutz und Zivildienst (ZD) ein. Die drei sicherheitspolitischen Instrumente müssen zahlenmässig im Lot sein, was heute bei Weitem nicht mehr der Fall ist: Armee und Zivilschutz verfehlen die quantitativen Vorgaben deutlich; der ZD-Bestand indes wächst ungebremst und destabilisiert das einstmalige Gleichgewicht zwischen den drei Institutionen.
Punkt 2: Ja zur Institution Zivildienst!
Art.1 des ZDG besagt: «Militärdienstpflichtige, die den Militärdienst mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können, leisten auf Gesuch hin einen länger dauernden zivilen Ersatzdienst (Zivildienst) nach diesem Gesetz.» Dieser Regelung ist Nachachtung zu verschaffen. Wer aus Gewissensgründen keinen Militärdienst leisten will oder kann, soll dies schlüssig darlegen müssen. Einzig Gewissensgründe legitimieren für die SOG eine Zivildienstleistung.
Punkt 3: Wahlfreiheit widerspricht allgemeiner Wehrpflicht!
Die aktuelle Praxis entspricht de facto einer Wahlfreiheit zwischen Militär- und Zivildienst – mit erheblichem Schaden für die Schweizer Milizarmee. Die Wahlfreiheit untergräbt die allgemeine Wehrpflicht gemäss Art.59 der Bundesverfassung massiv. Pro memoria: Im September 2013 sagten 73 Prozent der Schweizer Bevölkerung Ja zur allgemeinen Wehrpflicht. Ergo: Es gilt, den damaligen Volkswillen zu respektieren.
Punkt 4: Nicht tolerable Zweckentfremdung des Zivildiensts!
Das gültige ZDG ist viel zu locker und benachteiligt alle Militärdienstleistenden frappant. Viel zu oft werden heute ZD-Gesuche von Diensttauglichen eingereicht, die den Zivil- dem Militärdienst vorziehen, weil er besser in die berufliche Ausbildung oder persönliche Planung passt. Der ZD darf einzig und allein eine Alternative für Diensttaugliche mit einem Gewissenskonflikt sein.
Punkt 5: Stossrichtung der ZDG-Revision stimmt!
Die Stossrichtung der acht Massnahmen stimmt. Mit dem Verbot der Auslandeinsätze setzt der Bundesrat ein wichtiges Zeichen. Der erschwerte Wechsel während und nach bestandener Rekrutenschule zum Zivildienst ist absolut notwendig. Ob und wie die Massnahmen greifen werden, ist unklar. Nach den vollzogenen Änderungen braucht es eine Wirkungsanalyse für allfällige Korrekturen.
Punkt 6: Wenn nötig weitere Einschränkungen!
Denkbar ist für die SOG eine deutliche Reduktion der möglichen Zeitpunkte für die Einreichung des ZD-Gesuchs, indem ein solches z.B. nur noch bis wenige Wochen vor RS-Beginn gestellt werden darf. Für das höhere Kader können weitere Verschärfungen vorgesehen werden.
Punkt 7: WEA leidet am Bestandsproblem!
Die erforderliche Anzahl von 18000 ausexerzierten und ersteingeteilten Armeeangehörigen wurde 2018 klar nicht erreicht. Die Bestände der WEA sind der kritische Erfolgsfaktor Nr.1. Wir haben viel zu viele Abgänge, auch über den medizinischen Weg. Die Zahlen der ZD-Leistenden steigen ständig. Zwar wurden 2018 mit total 6205 Personen 8,5 Prozent weniger als 2017 zum ZD zugelassen. Allerdings waren per Ende 2018 rund 900 Gesuche pendent, und im Januar 2019 lag die Zulassungszahl zum ZD um 10,7 Prozent höher als im Vergleichsmonat 2018! Fazit: Auch zur Sicherstellung des Armeebestands ist die ZDG-Revision unabdingbar.
Punkt 8: Zivildienst muss Armee nicht retten!
Die Armee hat sich in den letzten 25 Jahren mehrfach reformiert. Mit der WEA befindet sie sich derzeit in ihrem wohl wichtigsten Reformprozess. Tragen wir dem auch international angesehenen Schweizer Erfolgsmodell Sorge. Es geht jetzt darum, mit der dringend nötigen ZDG-Revision das Gesamtsystem allgemeine Wehrpflicht, Milizarmee, Zivilschutz und ZD zu stabilisieren und zu stärken.

Air2030 mit Claude Nicollier – guter Schachzug des VBS
Die neue Chefin VBS, Bundesrätin Viola Amherd (CVP), hat den bekannten Waadtländer Astrophysiker und ehemaligen Milizmilitärpiloten (bis2004) Claude Nicollier beauftragt, bis Ende April 2019 eine Zweitmeinung zum Expertenbericht «Luftverteidigung der Zukunft» vom Mai 2017 abzugeben. Aus Sicht der SOG ist dies ein gelungener Schachzug des VBS. Denn Nicollier ist ein unbestrittener Kenner der Materie, im sicherheitspolitischen Umfeld sehr gut vernetzt und breit akzeptiert, sowohl in der Schweiz als auch im Ausland. Damit verschafft sich die neue Chefin VBS eine wichtige Legitimationsbasis und die nötige Handlungsfreiheit in dem für sie zentralen Dossier Air2030.

Ein Gedanke zu „Muss der Zivildienst die Armee retten?

  1. bedadueggelin

    Nein, diese Frage ist natürlich falsch gestellt! Es muss heissen: „Muss die Armee den Zivildienst retten??“ Eines Tages wird das grosse böse Erwachen kommen und die meisten von uns werden dies noch erleben müssen. Wird haben wohl nichts anderes verdient….. Dies ist keine Drohung sondern nur bittere Wahrheit!

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