Frauen und Militär – endlich die Trendwende?

Von Oberst i Gst Stefan Holenstein, Präsident SOG. Erschienen in der ASMZ-Ausgabe 05-2018.

In keinem anderen europäischen Land leisten so wenige Frauen Militärdienst wie in der Schweiz. Gerade mal rund 1000 Frauen, das sind 0,7 Prozent des Armeebestands. Die Schweizerische Offiziers-gesellschaft (SOG) bemängelt dies schon seit längerem. Doch jetzt zeichnet sich – endlich – eine Trendwende zum Besseren ab.

Stellten sich im Jahr 2015 noch 191 Frauen freiwillig der Rekrutierung, waren es 2017 bereits 406 Frauen, womit sich das Interesse innert zwei Jahren verdoppelt hat. Der Armee gelingt es also zunehmend, Frauen für den Wehrdienst zu begeistern. Und besonders augenfällig: Mehr als die Hälfte der eingerückten Frauen absolviert eine Kaderausbildung zum Unteroffizier oder Offizier.

Neue Generation interessierter Frauen

Aufgrund der geopolitischen Bedrohungslage und der zahlreichen Krisenherde scheint das Interesse an der Sicherheitspolitik auch bei den Frauen zu steigen. Zudem sind, wie die Abteilung Personelles der Armee bestätigt, das Selbstbewusstsein und das Engagement junger Frauen gegenüber der Armee gewachsen. Sie wollen einen aktiven Beitrag zugunsten der Sicherheit unseres Landes und an der Gemeinschaft leisten. Im Weiteren dürften sich viele Frauen von der grundsätzlich positiven Medienberichterstattung und den zahlreichen Vorbildern, wie etwa der ersten Kampfjetpilotin oder anderer motivierender Botschafterinnen (vgl. Sendeformat SRF True Talk «Frauen im Militär» vom 4. April 2018), angesprochen fühlen. Sie tragen viel bei zum Abbau von Clichés und Vorurteilen. Persönliche Faktoren wie etwa eine neue Herausforderung, Lebenserfahrung, Führungsausbildung und die Vorbereitung zur Rettungssanitäterin oder für die Polizeischule, dürftenebenso mitspielen. Andererseits wird das Problem der Soldatenknappheit in der Armee dank den Frauen entschärft. Insbesondere qualitative Lücken in Spezialfunktionen, wie z.B. bei den Militärärzten oder im IT- und Cyber-Bereich, könnten leichter geschlossen werden.

Schritt zum obligatorischen Orientierungstag

Frauen können schon heute freiwillig an einem Orientierungstag über die Schweizer Armee teilnehmen. Die SOG hat sich in jüngerer Vergangenheit – wie auch die Armeespitze sowie der Bundesrat – mehrfach für den obligatorischen Orientierungstag stark gemacht (vgl. «Schweizer Milizarmee: Mehrwert dank Frauen», in: ASMZ 09/2016) und hält die Zeit für gekommen, zur Tat zu schreiten. Das Ziel ist, das Potenzial der Frauen für die Armee besser und zielgerichtet zu nutzen. Ein solcher Informationstag bietet den Frauen die beste Plattform, um sich professionell beraten zu lassen, sich über die Instrumente der Schweizer Sicherheitspolitik zu informieren und die Karrieremöglichkeiten in der Armee kennenzulernen. Die aktuellen, gekonnt aufbereiteten Informationen via Internet erreichen nur einen geringen Teil der jungen Frauen. Und wir wissen alle: Nur gut informierte Bürgerinnen und Bürger lassen sich von einer Sache wirklich überzeugen.

Kantone sind bereit

Die Kantone, die heute den obligatorischen Orientierungstag für Wehrpflichtige verantworten, sind erfreulicherweise bereit und in der Lage, einen solchen im Auftrag des Bundes auch für Frauen durchzuführen. Auf Bundesebene prüft eine Arbeitsgruppe die erforderlichen Gesetzesänderungen, die Kostenfrage sowie die rechtlichen Sanktionen, wie etwa im Falle des unentschuldigten Fernbleibens am Orientierungstag. Es ist aus Sicht der SOG wünschenswert, das Projekt nun voranzutreiben, so dass nach Anpassung des Militärgesetzes der obligatorische Orientierungstag Anfang 2020 eingeführt werden könnte. Unser Milizsystem, die Schweizer Armee und unser Land werden von diesem zusätzlichen Potenzial der Frauen nur profitieren!

 

Projektbericht VBS vom April 2018: informativ und instruktiv

Am 5. April 2018 hat das VBS seinen zweiten Projektbericht publiziert. Er gibt auf 75 Seiten Auskunft über den aktuellen Stand der wichtigsten Top-Projekte des Departements. Von den im Vorjahresbericht aufgeführten 27 Projekten konnten im Laufe des Jahres 2017 sechs abgeschlossen werden, darunter auch dasjenige der Weiterentwicklung der Armee (WEA). Dieses befindet sich seit dem 1. Januar 2018 in seiner fünfjährigen Umsetzungsphase. Die SOG stellt fest, dass der Übergang von der Projekt- in die Umsetzungsphase grundsätzlich gelungen ist. Keine Selbstverständlichkeit, zieht man frühere Armee-Reformprojekte zum Vergleich bei. Aber die eigentliche Nagelprobe steht noch bevor. Der für die SOG kritische Erfolgsfaktor Nr.1, die personelle Alimentierung der Armee, gefährdet die erfolgreiche Umsetzung der WEA, wenn nicht schon sehr bald Massnahmen greifen gegen die steigende Zahl Zivildienstabgänger und die «Abschleicher» auf dem blauen Weg. Es geht hierbei um nichts weniger als die Durchsetzung der verfassungsmässigen allgemeinen Wehrpflicht. Als grösstes Projekt der nächsten Jahre führt der Bericht des VBS die Erneuerung zum Schutz des Luftraums (Air2030) auf. Die Weichenstellung für die neuen Kampfflugzeuge und die bodengestützte Luftverteidigung steht bevor.

Ein Gedanke zu „Frauen und Militär – endlich die Trendwende?

  1. Beda Düggelin

    Bitte keine falschen Hoffnungen aufkommen lassen! Die Frauen können unsere Armee nicht retten, auch wenn jeder Frau, welche Militärdienst leistet, gratuliert werden darf. Sind die Frauen gar die besseren Männer? Nein, es muss ein Umdenken im VBS und in der Bevölkerung stattfinden und die differenzierte Tauglichkeit muss konsequent verfolgt werden. Im Militär sind nicht nur die Super-Grenadiere gefragt. Dem Art. 59 Abs. 1 ist Folge zu leisten, d.h. aber Zivildienst nur in Ausnahmefällen, die Militärdienstpflicht ist kein Wunschkonzert.

    Antworten

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.