Von Oberst i Gst Stefan Holenstein, Präsident SOG. Erschienen in der ASMZ-Ausgabe 06-2018.
Die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG) intensiviert ihr Engagement bezüglich der EU-Waffenrichtlinie. Denn sie sieht das liberale, dem Milizwesen verpflichtete Schweizer Waffenrecht gefährdet. Aus Sicht der SOG schiesst die geplante Gesetzesänderung klar am Ziel vorbei. Der Vorschlag des Bundesrats engt die Besonderheiten des schweizerischen Schiesswesens unnötig ein..
Für die SOG stehen staatspolitische Überlegungen im Vordergrund.Die EU-Waffenrichtlinie trifft ausgerechnet die starke Gruppe von Schweizer Bürgern, die als staatstragend bezeichnet werden darf, nämlich die Schützen, Jäger, Sammler und nicht zuletzt auch die Offiziere. Sie werden zu wenig ernst genommen, gleichsam entmündigt und mit einem Vertrauensentzug «bestraft». Bisherige, abgelehnte Entscheide der Stimmbürger und des Parlaments in Bezug auf die Nachregistrierungen in den Jahren 2011 und 2015 werden ignoriert. Diese Faktoren deuten auf eine mangelnde Sensibilität des Bundesrats hin.
Eklatante Schwachstellen
Die zentrale Schwachstelle der EU-Waffenrichtlinie: Sie trifft den legalen Waffenbesitzer, nicht aber den gefährlichen Handel mit illegalen Waffen. Damit erreicht die Vorlage ihr Ziel, die missbräuchliche Verwendung von Feuerwaffen für kriminelle Zwecke und terroristische Anschläge zu verhindern, bei Weitem nicht. Hinzu kommt, dass der durch die Verschärfung des Waffengesetzes erhoffte Gewinn an Sicherheit in keinem angemessenen, geschweige denn vernünftigen Verhältnis zum zusätzlich entstehenden administrativen Aufwand steht. Es wird ein eigentlicher Bürokratieschub ausgelöst. Schliesslich gilt festzuhalten, dass die federführende Justizministerin den Handlungsspielraum nicht ausgenützt hat und die EU-Waffenrichtlinie überstürzt, quasi Gewehr bei Fuss, gutgeheissen hat, obschon Korrekturbedarf besteht. Alles in allem werden die Eigenheiten des Schweizer Schiesswesens und des Milizprinzips zu sehr eingeschränkt.
Machbare Korrekturen
Wie die SOG bereits anlässlich der Anhörung vor der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats am 9. April dargelegt hat, sind diverse Nachbesserungen in der Vorlage nötig, die uns jedoch allesamt machbar erscheinen. So ist etwa auf die erwähnte Nachregistrierung zu verzichten, sind die Ausnahmeregelungen zu erweitern – zum Beispiel darf das Sturmgewehr nicht als verbotene Waffe taxiert werden – und sind die Begrifflichkeiten zu klären. Auch hierzu ein Beispiel: Was heisst konkret «regelmässiges Schiessen »? Die SOG empfiehlt dem Parlament, den durchaus vorhandenen Handlungsspielraum besser auszunutzen und die berechtigten Anliegen der Bürger und Schützen aufzunehmen.
Angst wegen Schengen-Dublin unbegründet
Die SOG setzt sich in der EU-Waffenrichtlinie für eine pragmatische, überlegte und breit abgestützte Lösung ein. Sie erwartet, dass das Parlament die Änderungen zugunsten eines freiheitlichen Waffenrechts entsprechend gutheisst. Die eidgenössischen Parlamentarier würden damit einen wichtigen Beitrag für unser Land und für eine glaubwürdige Sicherheit leisten. Die Angst vieler, dass die Mitgliedschaft bei Schengen-Dublin infolge der Nachbesserungen gefährdet ist, erscheint uns unbegründet. Auf vorauseilenden Gehorsam gegenüber Brüssel ist zu verzichten. Selbst innerhalb der EU ist die Waffenrichtlinie umstritten. Länder wie Finnland und Ungarn sind dagegen, Tschechien hat sie beim Europäischen Gerichtshof wegen Rechtswidrigkeit eingeklagt. Für die SOG steht ein Referendum nicht im Vordergrund; es bleibt als ultima ratio. Zuerst geht es ihr um den Tatbeweis, der vom Nationalrat voraussichtlich in der Sommersession 2018 zu erbringen sein wird. Der Ständerat dürfte das Thema sodann im Herbst behandeln.
Kantone sagen Nein zum obligatorischen Orientierungstag für Frauen!
Damit hat die SOG nicht gerechnet. Kaum hat sie sich in der letzten Ausgabe der ASMZ für den obligatorischen Orientierungstag für Frauen zur Schweizer Armee stark gemacht, wird der Schwung in dieser wichtigen Frage abrupt gestoppt. Und das ausgerechnet durch die kantonalen Militärdirektoren! Das erklärte Ziel der SOG: Das fast völlig ungenutzte Potenzial der Frauen für die Armee besser und zielgerichteter zu nutzen, indem die Frauen auf obligatorischer Basis professionell informiert und beraten werden. Diesem Vorhaben erteilten die kantonalen Militärdirektoren am 4. Mai 2018 eine Abfuhr mit der Begründung, dass es für die Einführung eines solchen Obligatoriums eine Änderung der Bundesverfassung brauche, was indes unverhältnismässig sei. Diese rechtliche Interpretation dürfte zumindest umstritten sein, da es sich beim Orientierungstag nicht um einen Diensttag und damit nicht um einen Teil der allgemeinen Wehrpflicht handelt. Die Zustimmung der Kantone wäre deshalb wichtig, weil sie für die Durchführung der Orientierungstage zuständig sind. Hier wurde eine echte Chance vertan. Die Armee könnte von mehr Frauen nur profitieren!