Kritischer Tour d’horizon der SOG im Übergang zu 2018

Von Oberst i Gst Stefan Holenstein, Präsident SOG. Erschienen in der ASMZ-Ausgabe 12-2017.

Die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG) greift zum Ende des Jahres ein paar zentrale Baustellen der Schweizer Sicherheits- und Militärpolitik auf, um ihre Erwartungen für das Jahr 2018 nochmals deutlich zu formulieren.

Die Chancen, dass das grösste Reformprojekt seit der verunglückten «Armee XXI» erfolgreich zum Abschluss gebracht wird, standen noch nie so gut. Die Weiterentwicklung der Armee (WEA) ist nach Auffassung der SOG konzeptionell, sicherheits- und militärpolitisch, aber auch gesellschaftspolitisch die beste aller Reformen der letzten zwanzig Jahre. Geben wir also diese Trümpfe nicht ohne Not und leichtfertig aus der Hand. Der Start der WEA erfolgt am 1. Januar 2018. Wir sind zum Erfolg verdammt. Vieles wird nicht auf Anhieb rund laufen. Manches wird sich erst in der Umsetzung bewähren. Die SOG erwartet, dass Armee und Verwaltung mit offenen Karten spielen, das Delta jederzeit ungeschminkt aufzeigen und entsprechende Massnahmen zur Mängelbehebung rasch vorlegen. Eine korrekte Gesprächs- sowie konstruktive Fehlerkultur sind für die erfolgreiche Umsetzung unabdingbar. Die SOG hat mit dem WEA-Cockpit ein Tool entwickelt, das die Umsetzung eng begleiten soll.

Zivildienst – Missstand faktische Wahlfreiheit

Nicht der Zivildienst ist schlecht – im Gegenteil, er hat durchaus seine institutionelle Berechtigung. Es kann und darf jedoch nicht sein, dass heute eine faktische, weil breit akzeptierte Wahlfreiheit zwischen Militär- und Zivildienst besteht. Diese untergräbt die allgemeine Wehrpflicht und erschüttert unser Milizsystem in den Grundfesten. Politisches Gegensteuer ist jetzt dringend nötig, um den Zivildienst – horribile dictu – unattraktiver werden zu lassen.

Reformstau – Kampf um mehr Finanzen ab 2020

Jammern wir nicht! Denn mit dem Zahlungsrahmen von rund 20 Mrd. CHF für die nächsten vier Jahre wäre die WEA finanziell angemessen ausgestattet. Grosse Sorgenfalten bereitet der SOG die Dekade zwischen 2020 und 2030. In dieser Zeitspanne muss nicht nur ein neues Kampfflugzeug beschafft werden, sondern es sind auch zahlreiche schwere, terrestrische Systeme zu erneuern und abzulösen. Das kommt einer Herkulesaufgabe in finanzieller Hinsicht gleich. Die SOG weist schon heute konsequent und permanent auf die ungelöste Finanzierungs-frage hin. Denn eines ist klar: Mit einem Budget von 5 Mrd. CHF, auch mit einem jährlichen Wachstum von 1,4%, können wir die zahlreich anstehenden Beschaffungsprojekte in der Luft, am Boden und im virtuellen Raum (Cyber) bei Weitem nicht stemmen. Wir werden also um deutlich mehr finanzielle Mittel für die Armee kämpfen müssen – heute schon. Mit der SOG an vorderster Front!

Integrierte Luftverteidigung: NKF und BODLUV als Schlüssel

Die sicherheitspolitische Rechnung ist relativ einfach: Ohne die sofortige Beschaffung neuer Kampfflugzeuge (NKF) und die dringende Erneuerung der bodengestützten Luftverteidigung (BODLUV) gibt es keine wirkungsvolle Luftverteidigung, somit auch keinen Schutz der Bodentruppen und letztlich auch kein robustes Gesamtsystem Armee. Ohne integrierte Luftverteidigung und den dazu gehörenden Sensoren ist keine glaubwürdige Milizarmee denkbar. Mit seinem jüngsten Entscheid, die Mittel dafür auf 8 Mrd. CHF zu begrenzen, setzt der Bundesrat ein negatives Zeichen. Die SOG wird sich deshalb auch 2018 mit aller Energie für eine starke Luftverteidigung einsetzen. Die Luftwaffe und die Wahrung der Lufthoheit geniessen erste Priorität. Ziehen wir kühlüberlegt die Lehren aus dem Gripen-Debakel 2014 und lassen wir dieses Trauma vereint hinter uns zurück. Dann müssen wir auch eine künftige Volksab-stimmung nicht fürchten.

Nationale Cyber-Strategie – vorwärts machen

Die nationale Cyber-Strategie datiert aus dem Jahr 2012. Angesichts der ausufernden, zivilen und militärischen Stellen geltenden Attacken erwartet die SOG nun rasche Anpassungen. Die Armee muss sich primär selbst schützen. Dafür braucht sie dringend finanzielle und personelle Ressourcen, die aber nicht das Armeebudget belasten dürfen. Die Schaffung eines nationalen Kompetenzzentrums für Cyber-Sicherheit ist unverzüglich an die Hand zu nehmen, und es ist national sowie international zu vernetzen. Cyber-Abwehr ist auch Teil der Sicherheitspolitik. Bundesrat und Parlament sind gefordert.

Kommunikation – Schwachpunkt

Die SOG stellt mit Besorgnis fest, dass der Kenntnis- und Informationsstand zu Sicherheitspolitik und Armee in der Bevölkerung, ja selbst bei den Politikerinnen und Politikern, ungenügend ist. Paradox: Die Zustimmung zur Armee erreicht in der Bevölkerung Spitzenwerte. Trotzdem schaffen wir es kaum, die Öffentlichkeit mit einer aktiven, aufklärenden, sinnvermittelnden und nicht zuletzt ehrlichen Kommunikation, welche alle Zielgruppen – auch die Jungen, die Frauen und die Wirtschaft – erfasst, abzuholen. Hier, in der nachhaltigen Verbesserung der Information und Kommunikation, sind die Armee, das VBS, aber auch wir selber gefordert.

Ein Gedanke zu „Kritischer Tour d’horizon der SOG im Übergang zu 2018

  1. Beda Düggelin

    „De Hetti und de Wetti sind zwei Netti“. An dieses Sprichwort erinnert man sich sofort, wenn man die Gedanken des Präsidenten der SOG, Stefan Holenstein liest. Weihnachten rückt näher und da sind Wünsche angesagt! Doch diese Wünsche werden kaum in Erfüllung gehen, denn die Ursache dafür liegt weiter zurück. Man hat von der Friedensdividende nach dem Fall der Berliner Mauer gezehrt, so das Bundesparlament und auch die SOG. Nun ist man mit einem Beschaffungsstau konfrontiert, der wohl nicht mehr zu finanzieren ist, um endlich die Glaubwürdigkeit der Armee wieder herzustellen. Das Rezept der SOG ist ein Tropfen auf den heissen Stein der Armeeabschaffer. So wird es Holenstein und seinem Vorstand nicht gelingen, den Sisyphus-Stein den Berg hinaufzuwälzen. Da genügen die von Holenstein verwendeten Begriffe Chancen, Erwartungen und Besorgnis nicht, daraus werden sich noch zusätzliche Sorgenfalten ergeben. Nun hält die SOG ohne Tat Rat – too little too late, leider!

    Beda Düggelin, Hptm u. Bttr Kdt aD

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