Oberst i Gst Stefan Holenstein, Präsident SOG. Erschienen in der ASMZ Ausgabe 04-2017.
Für die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG) ist eine effiziente und effektive Rüstungsbeschaffung von zentraler Bedeutung. Die unbefriedigende Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, dass es klare strategisch-politische Grundlagen, leistungsfähige Instrumente und verlässliche Prozesse braucht. Nach Meinung der SOG besteht grosser Handlungsbedarf.
Die aktuelle Entwicklung weltweit zeigt auf, dass moderne Streitkräfte sowohl auf neue Bedrohungsformen reagieren, als auch auf bewährte Grundkompetenzen der Verteidigungsfähigkeit aufbauen müssen. Daraus folgt, dass der Transformationsprozess, insbesondere bei der Beschaffung von Rüstungsgütern, über ein hohes Mass an Planungssicherheit und Verbindlichkeit während eines längeren Zeitraums verfügen muss. Der anhaltende Transformationsprozess führt in der politischen Diskussion jedoch dazu, dass zu den unterschiedlichen sicherheitspolitischen Auffassungen der Parteien überdies noch die Uneinigkeit hinsichtlich Planungsgrundlagen und Wissensdefiziten bei den Entscheidungsträgern hinzukommen. Für demokratische Staaten, ausgestattet mit den Instrumenten der Initiative und des Referendums, bedeutet dies häufig, dass die Regierung ihre Konzepte nur teilweise umsetzen kann. Als Folge entstehen bei den Streitkräften Fähigkeitslücken, die im Extremfall die Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems akut gefährden können.
Streitkräfteplanung ohne verbindliche Grundlage
In seiner heutigen Ausgestaltung verfügt der Sicherheitspolitische Bericht weder über klare strategische Handlungsrichtlinien noch über eine ausreichende Verbindlichkeit, um als verlässliche Grundlage für die Streitkräfteplanung zu dienen. Der mit der WEA vorgesehene, vierjährige Finanzrahmen in der Höhe von 20 Mrd. CHF geht zwar in die richtige Richtung, genügt aber hinsichtlich Planungssicherheit keineswegs. Vielmehr ist ein zusätzlicher, verbindlicher Beschaffungsprozess vonnöten, der später nicht mehr durch politische Entscheide «torpediert» werden kann.
Eingeschränkte Rüstungsindustriebasis
Die Grundsätze des Bundesrats vom 30. Juni 2010 zur Rüstungspolitik sind grundsätzlich zu befürworten, obgleich die Umsetzung bislang mangelhaft ist. Die einheimische Rüstungsindustriebasis wird in ihrer praktischen Arbeit vielfach unverhältnismässig behindert und eingeschränkt sowie in grossen Rüstungsbeschaffungsprojekten zu wenig oder zu spät eingebunden. Outsourcing zur Entlastung der Bundesbehörden wird noch zu wenig pro- fessionell genutzt.
Forderungen für die Rüstungsbeschaffung
Um die Rüstungsziele im Rahmen der WEA zu erreichen, braucht es aus Sicht der SOG folgende Verbesserungen:
1. Das Praktizieren einer integrierten Sicherheits-, Finanz-, Aussen- und Wirt- schaftspolitik, damit die Rüstungsvor- haben in der notwendigen Frist sowie in ausreichendem Umfang umgesetzt werden können (finanzpolitischer Aspekt), die Verteidigungsfähigkeit dadurch wie- der an Glaubwürdigkeit gewinnt (aussenpolitischer Aspekt) und die einheimische Rüstungsindustriebasis nachhaltig gestärkt wird (wirtschaftspolitischer Aspekt). Hierzu gehören nicht zuletzt auch die über die Rüstungsindustrie hinausgehende Off-set- bzw. Kompensationsgeschäfte;
2. Der Planungsprozess muss auf sich auf verbindliche Grundlagen (sicherheitspolitischer Bericht) abstützen und mit einer fähigkeitsorientierten Streitkräfteplanung einhergehen, bei der Aufgaben, Instrumente und Investitionen definiert sind und der Finanzbedarf in einem Globalbudget festgelegt ist. Der Bundesrat verantwortet die Berichte und Planungen und überwacht die Umsetzung. Das Parlament genehmigt abschliessend, während das VBS die Rüstungsplanung und -beschaffung mit den zuständigen Behörden vollzieht;
3. Die Rüstungsindustriepolitik des Bundesrats aus dem Jahre 2010 muss über alle Politikbereiche konsequent umgesetzt werden. Sie schafft eine neue Basis für das Überleben der inländischen Rüstungsindustrie;
4. Damit diese Forderungen auch wirklich effizient und effektiv umgesetzt werden können, muss die Rüstungsbeschaffungsbehörde entsprechend ausgestattet werden (Stellen, Wissen, Fähigkeiten, stufengerechte Compliance).
Erhöhter Finanzbedarf
Schliesslich ist die SOG der Überzeugung, dass die Finanzmittel für die Schliessung der Fähigkeitslücken und die Erreichung einer genügenden Ausrüstung auf einem für moderne Armeen notwendigen Technologieniveau deutlich erhöht werden müssen. Es werden nach unserer Beurteilung für die kommenden 2020er und 2030er Jahre Globalbudgets in der Höhe von 25 bis 30 Mrd. CHF nötig sein (etwa 1,1 % des BIP), um die Vollausrüstung zu erreichen sowie die Ersatz- und Zusatzbeschaffungen, respektive die Modernisierungen der Grosssysteme umsetzen zu können. Prioritär ist dabei die Luftverteidigung (NKF/BODLUV), danach folgt der Ersatz der Grosssysteme am Boden (Artillerie, Panzer etc.).
Einverstanden und wem gehört der Schwarze Peter?