Schweizer Milizarmee: Mehrwert dank Frauen!

Stefan-HolensteinBeitrag von Oberst i Gst Stefan Holenstein, Präsident SOG. Erschienen in der ASMZ-Ausgabe 9-16.
Für die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG) ist es durchaus legitim, in der nunmehr zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts über die Frage der Einbindung der Frauen in die «Produktion von Sicherheit» zu diskutieren. Die SOG nimmt eine grundsätzlich positive Haltung ein. 

Im kürzlich publizierten «Bericht der Studiengruppe Dienstpflichtsystem vom15. März 2016» hat die Studiengruppe, in welcher nebst Vertretern aus Bund und Kantonen auch Verbände, darunter die SOG, beteiligt waren, vier Modelle geprüft: den «Status quo plus», die «Sicherheitsdienstpflicht», die «allgemeine Dienstpflicht» sowie das «norwegische Modell», das die Studiengruppe zur weiteren Betrachtung empfiehlt. Dieses «norwegische Modell» schlägt insofern einen grundlegend neuen Ansatz vor, als die Dienstpflicht nicht mehr dazu führt, dass möglichst viele persönlich Dienst leisten, sondern der Bedarf für die Armee wäre ausschlaggebend. Oberste Prämisse, an der nichts geändert werden darf, ist demnach die Wehrpflicht, wie sie vom Stimmvolk im September 2013 mit deutlichen 73 Prozent bestätigt wurde. Diese Wehrpflicht darf auf keinen Fall aufgeweicht werden. Das primäre Ziel dieser Pflicht ist die ausreichende Alimentierung der Bestände der Armee und des Zivilschutzes und keine staatspolitische Integrations- oder Beschäftigungstherapie.

Stärkerer Einbezug der Frauen
Das erwähnte «norwegische Modell» stellt für die SOG einen interessanten und prüfenswerten Denkansatz dar. Das hervorstechende Merkmal besteht darin, dass der Armee und dem Zivilschutz aufgrund der Dienstpflicht der Frauen quasi auf einen Schlag doppelt so viele Personen zur Auswahl stünden. Im Weiteren besteht die Idee des Modells nicht darin, möglichst viele Personen – Frauen und Männer – zu rekrutieren, sondern nur diejenigen, die es zur Alimentierung der Bestände von Armee und Zivilschutz braucht und nur dort, wo funktional effektiv Bedarf besteht. Heute leisten Schweizerinnen freiwillig Militärdienst. Im Jahr 2015 waren 1083 Frauen in der Armee eingeteilt, was rund 0,6 Prozent des Armeebestands entspricht. Die Hälfte davon ist als Kader im Einsatz. Den Frauen stehen seit 2004 alle militärischen Funktionen offen; sie leisten zudem gleich lang Militärdienst wie die pflichtigen Männer desselben Grads und derselben Funktion. Gestützt auf diese Zahlen sei die Frage erlaubt, wieso sich die Schweiz heute den Luxus leisten soll, für die Sicherheit des Landes nur auf die eine Hälfte der Bevölkerung zurückzugreifen?

Stärkung des Milizsystems
Eine Ausdehnung des Pools von Angehörigen der Armee auf Frauen brächte eine qualitative Stärkung des Milizsystems und damit auch unserer Milizarmee mit sich, weil das enorme Potenzial der weiblichen Bevölkerung zielführend genutzt würde. Die zusätzlichen Frauen in der Armee würden die Auswahl an fähigem und geeignetem Personal für bestimmte Spezialfunktionen, wie z.B. Militärärztinnen oder IT-Spezialistinnen, substanziell erweitern und so Lücken in den Beständen schliessen. Ich bin zudem überzeugt, dass die Frauen in allen Truppengattungen entsprechende Mehrwerte schaffen.

Schrittweise, wohlüberlegte Umsetzung
Für die SOG ist indes auch klar, dass in der Frage der Umsetzung einer allgemeinen Wehrpflicht für Frauen, die im Übrigen eine Verfassungsänderung voraus setzen würde (vgl. Art. 59 Abs. 2 BV: Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.), zuvor noch viele Details geklärt werden müssten. Einfach die heutige, für die Schweizer Männer geltende Wehrpflicht auf die Frauen zu übertragen, wäre eine wenig sachgemässe und kaum zweckmässige Lösung. Gewisse Rahmenbedingungen für die Frauen müssten verbessert und teilweise noch bestehende Vorurteile gegenüber dienstleistenden Frauen ausgeräumt werden. Deshalb besteht für die SOG ein möglicher Lösungsansatz in einer ersten Phase darin, die Frauen künftig für die allgemeinen militärischen Orientierungstage obligatorisch aufzubieten. Zu überlegen wäre – noch einen Schritt weitergehend –, auch die Aushebung für Frauen obligatorisch zu erklären. Frauen, die gut über die Armee informiert sind und Bescheid wissen, sehen in der militärischen Aus- und Weiterbildung den Mehrwert. Junge Schweizerinnen können sich dabei objektiv ein Bild darüber machen, was sie in der Armee erwartet und welche Vorteile sie persönlich daraus ziehen können – etwa als militärische Kaderangehörige in der Wirtschaft. Die Militärdienstleistung kann für Frauen immer noch freiwillig bleiben. So könnten Frauen nach der Aushebung selber entscheiden, ob und in welcher Truppengattung sie eine Rekrutenschule absolvieren wollen.

Vorteile offensichtlich
Ich bin überzeugt, dass auf diese Weise Jahr für Jahr ein paar Tausend talentierte Frauen mehr einrücken würden. Frauen können und sollen sich ebenfalls mit der Sicherheit unseres Landes auseinandersetzen. Gerade vor dem Hintergrund der modernen, hybriden Bedrohungsformen (z.B. Terror, Cyber-Krieg), bei denen Führung und Managementfähigkeiten vor Anwendung von Gewalt gefragt sind, stärkt die Diversität unsere Milizarmee. Die Frauen können hier einen echten Mehrwert leisten. Andererseits werden auch auf Seiten der Arbeitgeber und der Wirtschaft die Vorteile von Militärdienst leistenden und gut geschulten Frauen im zivilen Arbeitsprozess ins Auge springen.

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