Beitrag von Oberst i Gst Stefan Holenstein, Präsident SOG. Erschienen in der ASMZ-Ausgabe 7-16.
Die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG) fordert mehr Informationen und Transparenz rund um die Sistierung des Projekts BODLUV 2020 sowie die laufenden Untersuchungen. Die Arbeiten im Projekt zwecks Erneuerung der bodengestützten Luftverteidigung müssen baldmöglichst wieder aufgenommen werden.
Die Schweizer Armee muss sowohl den Schutz des Schweizer Luftraums als auch die Abwehr von Bedrohungen aus der Luft sicherstellen. Für die luftgestützte Luftverteidigung sind die F/A-18 Hornet und die zu ersetzenden F-5 Tiger im Einsatz. Bezüglich der bodengestützten Luftverteidigung verfügt die Luftwaffe heute in geringer Anzahl über die drei Waffensysteme mittlere Flab-Kanone (Kaliber 35mm) sowie Rapier- und Stinger-Lenkwaffen. Diese drei Systeme kurzer Reichweite (TRIO) stehen am Ende ihrer Einsatz- und Lebensdauer. Sie können heutige Angriffswaffen nur sehr beschränkt abwehren.
Bedarf unbestritten
Das Projekt BODLUV 2020 hat zum Ziel, die Grundlagen für die künftige bodengestützte Luftverteidigung zu erarbeiten und das entsprechende Flab-System zu evaluieren. Die Projektierungs-, Erprobungs- und die Beschaffungsvorbereitungen waren in vollem Gange, als der Chef VBS, Bundesrat Guy Parmelin, am 22. März 2016 das Projekt überraschend sistierte.
Eine stringente und nachvollziehbare Begründung für diese Sistierung ist bis heute ausgeblieben, was weiteren Nährboden für Gerüchte und Mutmassungen schafft. Mit der Sistierung setzte der Bundesrat eine Administrativuntersuchung in Gang, die den Beschaffungsprozess durchleuchten soll. Des Weiteren führt die parlamentarische Geschäftsprüfungskommission eine Inspektion durch. Parallel dazu hat die Militärjustiz eine Strafuntersuchung wegen den Indiskretionen eingeleitet. Per 29. April 2016 wurde zudem der Vertrag mit dem Generalunternehmer Thales, welcher den Beschaffungsprozess durchführen sollte, aufgelöst.
Informationsmanko verstärkt Unsicherheit
Die SOG bedauert dieses Informationsmanko und zeigt sich unzufrieden, dass sowohl über die Gründe der Sistierung als auch über das Thema bodengestützte Luftverteidigung generell bis zum Abschluss der Administrativuntersuchung – voraussichtlich im September 2016 – der Mantel des Schweigens gelegt wird. Diese passive Informationsstrategie des VBS fördert die Unsicherheit in Offizierskreisen und ist wenig vertrauensfördernd.
Aus Sicht der SOG besteht deshalb dringender Informations- und Aufklärungsbedarf gegenüber den Offizieren und der Öffentlichkeit. Für die SOG ist es unbestritten, dass es einen Ersatz für das heutige, veraltete und in der Feuerkraft bereits stark reduzierte bodengestützte Luftverteidigungssystem braucht. Es ist ein Schlüsselsystem für den Objekt- und Raumschutz. Ist dieser Schutz vom Boden aus nicht gewährleistet, macht es wenig Sinn, neue Kampfflugzeuge, neue Artillerie oder leistungsfähigere Panzer zu beschaffen. Diese kämen ohne einen effektiven und effizienten Schutz durch die bodengestützte Luftverteidigung kaum oder gar nicht erst zum Einsatz.
Fazit: Die Schweizer Armee braucht eine bodengestützte Luftverteidigung für kurze und mittlere bis grössere Einsatzdistanzen, die bei jedem Wetter sowie bei Tag und Nacht ihre Leistung im Verbund mit luftgestützten Mitteln und im Zusammenspiel mit den weiteren Sensoren und Effektoren der Armee voll entfalten kann.
Rasche Wiederaufnahme des Beschaffungsprozesses
Es gilt nun, den Blick konsequent nach vorne zu richten. Die Indiskretionen sind zu eruieren und hart zu sanktionieren. Auch dass die Beschaffungsprozesse in der Administrativuntersuchung gründlich unter die Lupe genommen werden, um in künftigen grossen Beschaffungen mögliche Fehler zu vermeiden, ist nachvollziehbar. Allerdings müssen diese Untersuchungen zügig durchgeführt werden. Wichtig ist, dass das Projekt BODLUV 2020 zum Ersatz der heutigen, veralteten bodengestützten Luftverteidigung unverzüglich und mit Nachdruck wieder aufgenommen wird.
Dabei ist auch die Politik gefordert. Sie muss in absehbarer Zeit dafür einstehen, dass die Kreditreste, die im Rüstungsprogramm 2017 aufgrund der Projektverzögerung anfallen, zu einem späteren Zeitpunkt der bodengestützten Luftverteidigung wieder zugesprochen werden, allenfalls als Zusatzausgaben neben anderen wichtigen grossen Beschaffungsvorhaben der Armee.
Schliesslich erwartet die SOG, dass das VBS und die Armee offene Fragen im Hinblick auf künftige, grosse Rüstungsvorhaben, wie z.B. neue Kampfflugzeuge, Artillerie oder Kampfpanzer, aktiver kommuniziert. Nur so kann die Notwendigkeit für diese Beschaffungsvorhaben verständlich gemacht und in der Bevölkerung nachhaltig verankert werden.